Weniger freie Rechtsabbieger für mehr Nahmobilität

Wie Kommunen mit Knotenpunkten im Bestand umgehen können

Die sogenannten freien (oder auch freilaufenden) Rechtsabbieger an Knotenpunkten treten in den Unfallstatistiken oftmals als Unfallhäufungspunkte auf. Ursprünglich eingerichtet, um dem Kfz-Verkehr ein zügiges Passieren eines Knotenpunktes zu ermöglichen, ist es gerade die hohe Abbiegegeschwindigkeit, die ein erhebliches Sicherheitsrisiko für andere Verkehrsteilnehmende wie Radfahrende und zu Fuß Gehende darstellt. Abgeleitet aus dem übergeordneten und mittlerweile als Konsens geltenden Ziel der Vision Zero, ist die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmenden der Flüssigkeit und Leichtigkeit des Verkehrs vorzuziehen.

Bei Neu- oder größeren Umplanungen von Knotenpunkten sollte daher grundsätzlich auf den Einsatz von Rechtsabbiegefahrbahnen neben Dreiecksinseln ohne Signalisierung des Kfz-Verkehrs verzichtet werden. Dies gilt ins besondere für innerstädtische Bereiche, da hier i.d.R. ein höheres Rad- und Fußverkehrsaufkommen vorliegt. Doch wie ist abseits von Neuplanungen mit den zahlreichen Knotenpunkten im Bestand umzugehen, die einen oder mehrere freie Rechtsabbieger in der Knotenpunktegeometrie aufweisen?

Im Bestand: Notwendigkeit prüfen

Bei Knotenpunkten im Bestand sollte zwingend die Notwendigkeit der freien Rechtsabbieger überprüft werden und verschiedene Maßnahmen zu deren Beseitigung bzw. Entschärfung sollten untersucht werden. Bei der Prüfung und anschließenden Priorisierung der von einer notwendigen Maßnahmenumsetzung betroffenen Knotenpunkte sollte nicht nur der Parameter der Unfallhäufigkeit herangezogen werden, sondern auch die Verkehrszusammensetzung der Verkehrsströme hinsichtlich Schwerverkehrsanteil und Anteil des ÖPNV sowie die Berücksichtigung von Schulwegplänen und wichtigen Rad- bzw. Fußverkehrsachsen.

Kurzfristige Lösungen: Beschilderung, Markierung, Signalisierung

Als kurz- und mittelfristige Lösungen sind zusätzliche Beschilderungen, Markierungen oder eine nachträgliche Signalisierung denkbar. Zu beachten ist, dass bei einer Signalisierung der Rechtsabbiegefahrbahn bei unveränderter Knotenpunktgeometrie der querende Fußverkehr und der ggf. parallel dazu verlaufende Radverkehr in ungünstigen Fällen bis zu vier Furten passieren müssen, um auf die gegenüberliegende Straßenseite zu gelangen. Je nach Komplexität des Knotenpunktes wird es selten gelingen, Wartezeiten für den Fuß- und Radverkehr auf Mittelinseln zu vermeiden. Zudem bleibt der große Abbiegeradius für den rechts abbiegenden Kfz-Verkehr erhalten und es ist je nach Verkehrssituation mit weiterhin hohen Kfz-Geschwindigkeiten zu rechnen. Als weiterer Nachteil dieser Lösung ist der nach wie vor vorhandene Konfliktpunkt des geradeaus fahrenden Radverkehrs mit den rechts abbiegenden Kfz zu nennen.

Poller als Zwischenlösung

Als Zwischenlösung bis zu einem Vollausbau des Knotenpunktes bzw. bis zu einem Rückbau des freien Rechtsabbiegers bietet sich an, die Rechtsabbiegefahrbahn mit Pollern abzubinden und den rechts abbiegenden Kfz-Verkehr in die Lichtsignalisierung des Knotenpunktes einzubinden, wie es derzeit beispielsweise an einigen Knotenpunkten in Köln praktiziert wird. Durch den kleineren Abbiegeradius werden die Kfz-Geschwindigkeiten beim Abbiegen deutlich reduziert. Es ist jedoch zu prüfen, ob der Abbiegeradius für alle Fahrzeuge ausreichend ist und kleinere baulichen Maßnahmen notwendig sind sowie ob die Sichtverhältnisse an den umgestalteten Knotenpunkten für alle Verkehrsteilnehmenden sicher sind.

Die Maßnahmen zur Reduzierung von freien Rechtsabbiegern an innerstädtischen Knotenpunkten sind als ein wichtiger Baustein zu einer weiteren Attraktivierung der
Nahmobilität und hin zu einer lebenswerteren Stadt und Gemeinde zu sehen.


Autor: Christian Eckert/Ingenieurgesellschaft Stolz mbH

Dieser Artikel ist zuerst in der Nahmobil No. 21 - MAI 2023 erschienen.