Platz da! Der AGFS-Kongress zur Verkehrssicherheit.

Neuer Teilnehmer-Rekord beim AGFS-Kongress

Mehr als 600 Teilnehmer bei „Platz da! Der AGFS-Kongress zur Verkehrssicherheit“

Wenn es um Verkehrssicherheitsarbeit geht, ist menschliches Verhalten der zentrale Ansatzpunkt. Dennoch kann eine sichere Verkehrsinfrastruktur, die menschliches Fehlverhalten toleriert, erheblich zu einer Reduzierung von Unfällen beitragen. Eine tragende Rolle spielt dabei die kommunale Verkehrsplanung. Unter dieser Prämisse diskutierten Experten aus Wissenschaft, kommunaler Planung und Verkehrssicherheit am 21. Februar in Essen. Moderiert wurde der Kongress mit großer Kompetenz von Tom Hegermann.

Eine Frage des Geldes

„Stärken Sie die Kommunen!“, diesen Appell richtete Frank Meyer, Oberbürgermeister der Stadt Krefeld und Vorsitzender des AGFS-Präsidiums gleich zu Beginn an den Bund und das Land. Nur durch weitere finanzielle Unterstützung seien die Städte und Gemeinden in der Lage, Infrastrukturen für eine Verkehrspolitik zu schaffen, mit denen die Verkehrssicherheit erhöht werden und Deutschland seine Klimaziele erreichen könne. Zusagen hierfür gab es pauschal von den Vertretern des Landes und des BMVI. Sicherheit sei eine zentrale Voraussetzung für den Umstieg aufs Rad. Das Land gebe für die Förderung der fahrrad- und fußgängerfreundlichen Nahmobilität in diesem Jahr insgesamt 2,25 Mio. Euro mehr als im Vorjahr aus, erklärte Dr. Dirk Günnewig vom Verkehrsministerium NRW. Für den Bund bekannte sich die Radverkehrsbeauftragte Karola Lambeck besonders zum weiteren Ausbau der Radschnellwege und wies auf die Überprüfung der Straßenverkehrsordnung auf größere Nahverkehrsfreundlichkeit hin, die derzeit im Gange sei.

Platz für Sicherheit

Inhaltlich begann der Kongress mit einem Vortrag von Robert Follmer vom Bonner infas Institut. Er stellte die Ergebnisse der letzten Studie „Mobilität in Deutschland 2017“ vor. Relativ ernüchternd ist sein Resümee für die Entwicklung der Nahmobilität. Der Anteil von Fuß- und Radverkehr ist im Vergleich mit den vorangegangenen Studien (2002 und 2008) stabil. Tatsächlich könnte es sogar sein, dass der in den vorangegangenen Studien festgestellte leichte Zuwachs durch die Korrektur des Mikrozensus rückwirkend nicht mehr belegbar ist.

Die schleppende Entwicklung ist nicht verwunderlich. Mit den bisherigen Maßnahmen ist nach dem Urteil von Jörg Ortlepp von der Unfallforschung der Versicherer, kein signifikanter Zuwachs an Sicherheit in der Nahmobilität zu erreichen. An Kreuzungen und Querungen ereignen sich nach der Analyse der Versicherer immer noch die meisten Unfälle mit Personenschaden – Grund hierfür sei mangelnde Sicht- und Sichtbarkeit, etwa durch parkende PKW und LKW. Sicherheit für Fußgänger und Fahrradfahrer brauche mehr Platz als beiden bisher im Straßenverkehr eingeräumt würde.

Ampeln sind an Kreuzungen nicht immer die sicherste und beste Querungshilfe für Fußgänger. Eberhard Clauß berichtete von den positiven Erfahrungen der Stadt Köln mit dem Rückbau von Ampelanlagen und deren Ersatz durch alternative Betriebsformen, wie Zebrastreifen. Auch die subjektive Sicherheitswahrnehmung spielte in Essen eine Rolle: Fußgänger und Radfahrer fühlen sich zunehmend von motorisierten Fahrzeugen bedrängt, wobei auch das Verhältnis von Fußgängern und Radfahrern untereinander oft nicht von Rücksichtnahme geprägt ist. Diesem Thema widmet die AGFS die große Verkehrssicherheitskampagne „Liebe braucht Abstand“. Lesen Sie mehr dazu unter www.liebe-braucht-abstand.de.

Dass auch bei der Verkehrssicherheit der Schein trügen kann, zeigen Forschungen der TU Braunschweig zum Einfluss der Infrastruktur auf das Überholverhalten von Autofahrern. Das erstaunliche Ergebnis: Keine Markierungen verleiten im Gegensatz zu Radfahrstreifen und vor allem Schutzstreifen Autofahrer dazu, den gesetzlich geforderten Mindestabstand von 1,5m häufiger einzuhalten. Wie man trotz dieser Erkenntnis mit markierten Radverkehrsanlagen eine hohe Sicherheit erreicht, zeigte Horst Wohlfarth von Alm mit seinem Bericht über die Maßnahmen in Berlin.

Dass man auch das Autoparken neu denken müsse, dafür plädiert Professor Jürgen Gerlach. Er zeigte, wie auch der ruhende Verkehr ein Risikofaktor ist. Die AGFS plädiert seit langem für eine teilweise Verlagerung des Parkens auf private Flächen als eine Lösung für das Problem. Der öffentliche Raum, der dadurch frei wird, könnte dann zu Gunsten einer sicheren Infrastruktur für die Nahmobilität sowie für mehr Grün- und Aufenthaltsflächen genutzt werden.

Laut Tilman Bracher vom Deutschen Institut für Urbanistik wird eine zeitgemäße Straßenverkehrsordnung derzeit dringend gesucht. In ihrer jetzigen Form sichert sie vor allem die Privilegierung des Autoverkehrs. Das gelte es mit einer klugen Novellierung zu ändern, bevor ein „Dachgesetz“ zur Straßenverkehrsplanung verwirklicht werden könne.

Die AGFS möchte den Anteil der Nahmobilität im Modal Split deutlich erhöhen. Das Fazit des Kongresses ist, dass dieses Ziel nicht erreicht wird, wenn bei der Gestaltung der Straßen und den rechtlichen Rahmenbedingungen die Sicherheit der Fußgänger und Radfahrer nicht an erster Stelle steht. Straßen müssen künftig so gestaltet werden, dass menschliches Fehlverhalten so gut wie möglich tolerierbar ist. Mit genügend Platz für den Fuß- und Radverkehr, Kreuzungen mit freien Sichtbeziehungen und einer einfach zu verstehenden Verkehrsführung.

Das Kongressprogramm zum Download als pdf.

 

Die Vorträge der Referentinnen und Referenten zum Download:

Kooperationspartner Messe Essen

Unterstützt wird die AGFS wie jedes Jahr von der MESSE ESSEN. Als langjähriger Kooperationspartner stellt sie uns ihre Räumlichkeiten zur Verfügung. Es werden wieder über 500 Teilnehmende erwartet. Damit ist der AGFS-Kongress bundesweit eine der bedeutendsten Veranstaltungen über Zukunfts- und Nahmobilität in Deutschland.

Bei der Anmeldung zum Kongress erhalten Sie vor Ort wie immer eine Eintrittskarte für die Messe Fahrrad, die vom 21. bis 24. Februar 2019 ihre Tore öffnet. Auf der größten Fahrradmesse Nordrhein-Westfalens präsentieren über 240 Aussteller Produkte rund um die Themen Fahrrad und Tourismus. Auch die AGFS ist wieder mit ihrem Messestand dabei, in diesem Jahr in Halle 4, Stand C11.

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