Schlüsselfaktor Parken

Warum die Verkehrs- und Mobilitätswende nur langsam vorankommt

Die Verkehrs- und Mobilitätswende kommt nur langsam voran. Obwohl Themen wie Gesundheit und Klimaschutz in der Gesellschaft generell auf Zustimmung stoßen, herrscht weiterhin Verhaltensstarre, wenn es darum geht, das eigene Auto abzuschaffen und auf Fahrrad, Bus oder Bahn umzusteigen. Auch die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen (NRW) hat mit dem Fahrrad- und Nahmobilitätsgesetz (FaNaG) ein klares Statement für mehr aktive Mobilität gesetzt. Durch das Gesetz haben die Aktivitäten der Kommunen, der Lobbyverbände und der AGFS NRW neuen, zusätzlichen Rückenwind erhalten. Dennoch stellt sich immer wieder die Frage, warum die Förderung des Fuß- und Radverkehrs nur in kleinen Schritten im Land voran geht.

Systemvorteil Parken

Oder anders gefragt: Warum ist das Auto bei den Deutschen trotz Dauerstaus und hoher Kosten immer noch so beliebt? Zwei der Erfolgsfaktoren sind seine zumeist unmittelbare Verfügbarkeit und der hohe Komfort, der dadurch verstärkt wird, dass man mit dem eigenen Fahrzeug näher an sein Ziel gelangt, als mit anderen Verkehrsmitteln. Im Regelfall finden Autofahrerinnen in unmittelbarer Nähe ihres Zielortes einen Parkplatz, während Fahrradfahrer:innen sichere und wettergeschützte Abstellmöglichkeiten in einem größeren Umkreis suchen müssen. Auch ÖPNV-Nutzer:innen sind fast immer gezwungen, weitere Wege von der nächstgelegenen Haltestelle in Kauf zu nehmen. Der Pkw hat durch den öffentlich bereitgestellten Parkraum einen klaren Systemvorteil.

Dieses Privileg beeinflusst unmittelbar die Verkehrsmittelwahl und hat zudem negative Auswirkungen auf die Neugestaltung unserer Kommunen: die enorme Flächeninanspruchnahme des ruhenden Kfz-Verkehrs verhindert den Ausbau der Rad- und Fußverkehrsinfrastruktur. Autofahrer:innen nutzen den öffentlichen Raum häufig kostenfrei oder für einen nicht marktgerechten Preis zum Parken, während für andere Nutzungen, wie Wochenmärkte oder die Außengastronomie, deutlich höhere Gebühren anfallen. Parkenden Autos steht im Vergleich zum Fuß- und Radverkehr, zu Spielplätzen, Grünflächen oder sonstigen Aufenthaltsflächen fast immer proportional mehr Fläche zur Verfügung. Gleichzeitig werden vorhandene Potenziale nicht vollständig ausgeschöpft: Die Flächen vor Supermärkten stehen nachts und sonntags leer und die Parkhäuser sind bis auf wenige Ausnahmen im Jahr nur unzureichend ausgelastet.

Die Abschaffung oder zumindest Reduzierung des Systemvorteils „Parken“ für den motorisierten Individualverkehr ist ein wesentlicher Schlüssel für eine erfolgreiche Verkehrs- und Mobilitätswende.

Handlungsmöglichkeiten der Kommune

Wesentliche Akteurin dabei ist die Kommune. Ihr obliegt die Gestaltung des öffentlichen Raums. Ein zentrales Handlungsfeld ist das Parkraumanagement, welches bauliche, organisatorische und verkehrsrechtliche Maßnahmen umfasst. Dadurch können Kommunen die Nutzung von Parkplätzen zeitlich und räumlich steuern und Einfluss auf den Parksuchverkehr sowie die Verkehrsnachfrage und Verkehrsmittelwahl nehmen. Ausgangspunkt jeglichen Parkraummanagements ist das vorhandene Parkraumangebot im öffentlichen Straßenraum, in öffentlich zugänglichen Parkierungsanlagen sowie auf privaten Stellplätzen.

Rückgewinnung von öffentlichem Raum

Der zentrale Ansatzpunkt im Sinne der Verkehrs- und Mobilitätswende ist jedoch die Rückgewinnung von öffentlichem Raum. Die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) ordnet das Parken grundsätzlich als eine verkehrliche Nutzung des öffentlichen (Verkehrs-)Raums ein und somit als Gemeingebrauch des Verkehrsraums. Das heißt, Parken ist überall dort erlaubt, wo es nicht ausdrücklich verboten ist.

Um das Parken im öffentlichen Raum zu unterbinden, müssen Kommunen es explizit verbieten. Das geht nur in bestimmten Fällen, wie einer Übernutzung des Raums durch den ruhenden Kfz-Verkehr oder wenn parkende Autos die Verkehrssicherheit beeinträchtigen. Darüber hinaus kann ein Parkverbot angeordnet werden, mit dem Ziel einen sicheren und flüssigen Straßenverkehr zu gewährleisten. Die Förderung des Radverkehrs gilt jedoch nicht als ausreichender Grund. Allerdings lässt die StVO den Straßenverkehrsbehörden etwas Ermessensspielraum: Sie können das Parken auch verbieten, wenn es einer übergeordneten städtebaulichen Entwicklung dient.

Kommunale Parkraumstrategie

Diese übergeordnete städtebauliche Entwicklung lässt sich aus kommunalen Verkehrs- und Mobilitätskonzepten ableiten. Möchte eine Kommune das Parkraumangebot aktiv über ein kommunales Parkraummanagement steuern, ist eine kommunale Parkraumstrategie entscheidend, die sich aus den übergeordneten Konzepten ableitet.

Eine erfolgreiche Parkraumstrategie besteht aus mehreren Bausteinen. Dazu zählen planerische Handlungsfelder - wie die Erhebung des vorhandenen Parkraumangebotes, die Schätzung und Prognose der Parkraumnachfrage sowie die Entwicklung eines Parkraumbewirtschaftungskonzeptes. Zu den planerischen Handlungsfeldern gehören auch die Ordnung des ruhenden Verkehrs (z.B. durch die Markierung von Parkständen) sowie die aktive Angebotsplanung. Dazu zählt die Verlagerung von Parkständen aus dem öffentlichen Straßenraum in Quartiersgaragen oder vorhandene Parkplätze, wie z.B. Firmenparkplätze, die außerhalb der Geschäftszeiten genutzt werden können.

Grundlage aller planerischen Maßnahmen sollte jedoch immer ein politischer Grundsatzbeschluss zum Thema Parken sein. Er muss Aussagen und Zielsetzungen u.a. zu den Aspekten Bewohnerparken, Gehwegparken, Flächengerechtigkeit, Quartiersgaragen, Parkgebühren, Personalbedarf, Parkraumüberwachung, Mehrfachnutzung von Stellplätzen sowie zur Stellplatzsatzung umfassen. Nach Möglichkeit sollte dieser Grundsatzbeschluss im Rat der Kommune einstimmig beschlossen werden. Hierzu bedarf es im Vorfeld einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema Parken in den unterschiedlichen politischen Gremien. Ein Workshop zum Thema Parken kann hier hilfreich sein.

Der intensive Austausch mit der Politik allein reicht jedoch nicht aus. Ein wesentlicher Baustein der Parkraumstrategie ist daher immer auch ein Kommunikationskonzept zur Sensibilisierung und Information der Bürgerschaft, des Einzelhandels und sonstiger Akteur:innen. Das betrifft nicht nur bauliche Maßnahmen, sondern auch Veränderungen in der Ahndung von Verstößen im ruhenden Verkehr. So vermeidet man Irritationen und Ärger, insbesondere wenn zuvor regelwidriges Verhalten, z.B. Gehwegparken, jahrelang geduldet wurde.

Ein vierter und letzter Baustein der Parkraumstrategie sollte immer ein Konzept für eine möglichst flächendeckende Parkraumüberwachung sein. Diese umfasst neben der Personalplanung einschließlich eines Überwachungskonzeptes hinsichtlich Routen, Zeiten und Frequenzen auch eine begleitende Kommunikation. Ein Evaluationskonzept sorgt für eine laufende Überprüfung der Wirksamkeit der Parkraumbewirtschaftung und der Einhaltung der Verkehrsregeln im ruhenden Verkehr.

Kurzfristige Maßnahmen

Einzelne Maßnahmen zur Verbesserung der Bedingungen für den Fuß- und Radverkehr lassen sich kurzfristig und im Vorfeld einer Parkraumstrategie umsetzen. So erhöht es die Verkehrssicherheit, wenn Sichtfelder an Kreuzungen und Rettungswege konsequent von parkenden Kfz freigehalten und Sicherheitstrennstreifen zwischen dem Radverkehr und den Parkständen durchgängig markiert werden.

Auch mit der Durchsetzung bestehender Regelungen, wie der Unterbindung des regelwidrigen Parkens auf Geh- und Radwegen, können Städte und Gemeinden sofort beginnen. Mit der neuen Bußgeldkatalog-Verordnung vom 13.10.2021 wird das vorschriftswidrige Parken auf einem Gehweg mit einem Regelsatz von € 55,- geahndet und wenn damit eine Behinderung einhergeht oder dieser Verstoß länger als 3 Stunden dauert, erhöht sich das Bußgeld sogar auf € 70,-. Wurde das vorschriftswidrigen Parken zuvor jahrelang geduldet, sollten Betroffene über die bevorstehenden Veränderungen informiert werden.

Bevor Kommunen eine flächendeckende Parkraumstrategie erarbeiten, sollten sie Potenziale nicht genutzter oder nicht ausreichend genutzter Flächen für den ruhenden Verkehr prüfen und nach Möglichkeit aktivieren. Hierzu zählen nicht ausgelastete Parkhäuser, gerade in zentralen Lagen wo die Übernutzung des öffentlichen Straßenraums meist am größten ist, und - besonders in Wohngebieten - als Lager- oder Nutzraum zweckentfremdete Garagen.


Praxishandbuch Parken

Im ersten Quartal des kommenden Jahres erscheint das Praxishandbuch Parken der AGFS NRW. Es umfasst eine Vielzahl unterschiedlicher Aspekte zum Thema Parken. Kern des Handbuchs ist ein Handlungsleitfaden zur Entwicklung einer kommunalen Parkraumstrategie. Neben den möglichen baulichen und organisatorischen Handlungsmöglichkeiten einer Kommune zeigt es den aktuellen Gestaltungsrahmen aus verkehrsrechtlicher Sicht auf. Ebenso werden die verkehrsrechtlichen Grenzen dargestellt, zu deren Überwindung es einer grundlegenden Neuordnung des Rechtsrahmens bedarf.

Das Praxishandbuch Parken ist im bewährten Format der Loseblattsammlung konzipiert und wird verschiedene Teile umfassen. Ergänzt wird das Praxishandbuch zukünftig um eine Good-Practice-Sammlung auf der AGFS-Wissensplattform, auf der auch ein gesonderter Bereich zum Thema Parken eingerichtet wird.