Nahmobilität und mehr

Um die Zukunftsfähigkeit der Städte und Gemeinden zu erhalten und sie fit zu machen im sich verschärfenden Standortwettbewerb, ist ein Umdenken nötig. Wie schaffen wir zum Beispiel die Grundbedingungen für eine in Zukunft bezahlbare Mobilität, die auch den schwächsten Mitgliedern der Gesellschaft eine autonome Teilhabe ermöglicht? Mit dem Konzept der „Nahmobilität“ – als Oberbegriff für körperlich aktive, individuelle Mobilität – haben wir uns der Fragestellung angenähert. „Nahmobilität 2.0“ konkretisiert erste Antworten mit dem erklärten Ziel, die primär auf die Belange des Kfz-Verkehrs ausgerichtete Verkehrsinfrastruktur unserer Städte und Gemeinden in eine am „Maßstab Mensch“ orientierte Gestaltung zu überführen.

Die sitzende Gesellschaft

Eine am Menschen orientierte Stadtstruktur muss allerdings deutlich mehr bieten als nur flexible und funktionierende Mobilität. Denn über alle Generationen und sozialen Schichten hinweg leiden wir inzwischen unter einem ausgeprägten Bewegungsmangel. Mit ernsten Konsequenzen für unsere Gesundheit und bislang noch kaum zu überschauenden Folgen und Folgekosten. Evolutionsbedingt braucht der Mensch Bewegung. Bei einem Mangel bildet er das aus, was wir gemeinhin als Zivilisationskrankheiten bezeichnen. Doch in der Realität haben wir uns inzwischen zu einer „sitzenden Gesellschaft“ entwickelt. Der immer höhere Anteil von sitzenden Tätigkeiten bei der Arbeit und Zeitmangel tragen dazu ebenso bei wie eine autoorientierte Infrastruktur und eine Alltagsgestaltung, die eher auf Bewegungsvermeidung als auf ihre Aktivierung ausgerichtet ist.

Stadt als Lebens- und Bewegungsraum

Wenn wir das Ziel erreichen wollen, die Anforderungen der Zukunft in Bezug auf Mobilität und Gesundheit in Einklang zu bringen, dann müssen wir unsere Städte und Gemeinden zu hochwertigen Lebens- und Bewegungsräumen machen, die zu individueller Bewegung einladen und die Möglichkeit bieten, diese in den Alltag zu integrieren: auf dem Weg zur Arbeit, zur Ausbildungsstätte, in der Freizeit und allgemein auf kurzen und mittleren Wegstrecken. Elektromobilität, Sharing-Systeme und multimodale (mit mindestens zwei verschiedenen Verkehrsmitteln) Mobilität sind dabei wichtige Ergänzungen. Allerdings nur dann, wenn sie die Bewegungsarmut nicht weiter verstärken, sondern so ausgerichtet sind, dass sie unseren natürlichen Drang, uns aktiv zu bewegen, unterstützen.

Transformation von der monofunktionalen Straße zum lebendigen und gesunden Ort mit Aufenthalts- und Bewegungsqualität

Um dieses Ziel zu erreichen, ist nicht nur ein Umdenken nötig, sondern ein kompletter Paradigmenwechsel bei der Verkehrsinfrastrukturplanung erforderlich. Wir brauchen eine Infrastruktur, die eben nicht so gut wie monofunktional ist, sondern vielfältige Grundansprüche an wohnverträgliche Mobilität, Aufenthalts- und Lebensqualität, Gesundheit, Barrierefreiheit, Ökologie und Nachhaltigkeit verwirklicht und für einen Ausgleich sorgt. Eine bewegungsaktivierende Infrastruktur, die über ihre spezifische Ausgestaltung und Dimensionierung hinaus vielfältige urbane Nutzungen zulässt und zugleich wirksame Anreize für eine nachhaltige und gesundheitsförderliche Nahmobilität und Freizeitgestaltung bietet.

Ziel: 60 % der Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad

Kernaufgabe der kommunalen Stadt- und Verkehrsplanung in den nächsten Jahrzehnten ist damit eine Transformation der bestehenden öffentlichen Stadt- und Verkehrsräume. Ziel ist die Realisierung von lebendigen, „humanen“ Straßen und Plätzen, die sich wieder neu auf den „Maßstab Mensch“ beziehen, gemeinschaftlich von allen Verkehrsteilnehmern genutzt werden können, aber insbesondere adäquaten Raum für körperaktive Bewegung bieten. Eine „gesunde Stadt“, in der Nahmobilität „Basismobilität“ ist, also ein Großteil der persönlichen Alltags- und Freizeitwege zu Fuß und/oder mit dem Fahrrad abgewickelt und Freizeit im Sinne von Bewegung, Spiel und Sport gestaltet wird. Die Zielmarke der AGFS ist, dass 60 Prozent der Wege zu Fuß und mit dem Fahrrad zurückgelegt werden. Das Potenzial hierfür ist in jedem Fall gegeben.  

Broschüre "Städte in Bewegung"

Zusammen mit dem Landessportbund Nordrhein-Westfalen hat die AGFS die Broschüre "Städte in Bewegung" zum Thema bewegungsaktivierender Infrastrukturelemente in Städten veröffentlicht. Inhaltlich werden dabei Analysen, Ergebnisse und konkrete Handlungsempfehlungen zur Gestaltung einer urbanen und bewegungsaktivierenden Verkehrsinfrastruktur in der "Stadt als Bewegungs- und Lebensraum" gegeben.

Die Broschüre ist als Printversion und zum Download in unserer Mediathek erhältlich.